Positionspapier Nr. 12 der Fachgesellschaften DGVP und DGVM
12. September 2024
Cannabismissbrauch – Eignungszweifel bei erstmaliger Verkehrsauffälligkeit
Thomas Wagner, Jürgen Brenner-Hartmann, Frank Mußhoff, Matthias Graw


Empfehlung einer Wartezeit nach Konsum von Cannabis vor Verkehrsteilnahme


Änderung des §14 FeV und Neufassung eines §13a FeV
Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin e.V. (DGVM) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie e.V. (DGVP)


Stellungnahme zum CanG aus verkehrsmedizinischer Sicht


Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie e.V. (DGVP) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin e.V. (DGVM)
zu geplanten Änderungen der FeV und des StVG im Rahmen des CanG


Kurzstellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie e.V. (DGVP) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin e.V. (DGVM)
zu geplanten Änderungen der FeV im Rahmen des CanG


Am 03.07.2023 fand im Paul-Löbe-Haus in Berlin eine nicht-öffentliche Delegationsanhörung im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages zum Thema „Auswirkungen der Cannabis-Legalisierung auf den Verkehrsbereich“ statt.

Die DGVM war vertreten und hatte folgendes Vorab-Statement abgegeben:

Vorabstellungnahme Cannabis

Folgende Punkte aus der Diskussion möchte die DGVM zusätzlich erläutern bzw. richtigstellen:

  1. Die Studie von Nikolic/Jübner/Lucuta/Rothschild/Andresen-Streichert (2023) Welche Auswirkungen hätte eine Anhebung des THC-Grenzwertes nach § 24a StVG? Blutalkohol 60(2): 61-72 kann gerade nicht dazu herangezogen werden, eine Erhöhung des Grenzwertes für THC hinsichtlich einer Ahndung nach §24a (2) StVG sinnvoll zu begründen. Die Kernaussage lautet wie folgt: „Das Ziel, weniger Dauerkonsumenten „ungerecht“ zu sanktionieren, bei denen möglicherweise ähnlich niedrige THC-Konzentrationen geringere Defizite in der Leistungsfähigkeit als bei Gelegenheitskonsumenten bewirken würden, würde durch eine Anhebung des Grenzwertes nur marginal erreicht werden. Gleichzeitig würde dies für die Gelegenheitskonsumenten– bei denen eine deutlichere Beeinträchtigung der Fahrsicherheit auch bei niedrigeren Konzentrationen erwartet werden muss – bedeuten, dass nur noch die Hälfte bzw. ein Drittel der bisher erfassten Personen sanktioniert würden.“
  2. Auch die Studie von Wagner/Perlich/DeVol/Uhlmann/Bartels (2021) Cannabis im Straßenverkehr und Fahreignung. Blutalkohol 58(5): 301-316 belegt eben nicht, dass eine Erhöhung des Grenzwertes sinnvoll sei. Es wird vielmehr im Gegenteil dargelegt, dass eine THC-Konzentration im Blutserum z.B. von 3 ng/ml keinen geeigneten Biomarker als Eingangsvoraussetzung für eine Überprüfung der Fahreignung darstellt. Auch unter 3 ng/ml wurden u. a. eine langfristige und intensive Konsumvorgeschichte mit überwiegend häufigem und gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum, vergeblichen Verzichtsversuchen und berichteter Konsumsteigerung, Co-Konsum anderer psychoaktiver Substanzen oder Alkohol und eine Tendenz zur Delinquenz beobachtet.

Beide Studien deuten also darauf hin, dass eine Grenzwerterhöhung für ein folgenlose Trunkenheitsfahrt (s.auch unten) zu einer wissenschaftlich nicht zu beziffernden Risikoerhöhung führt und eben nicht mit einer „Vision Zero“ in Einklang zu bringen ist.

  1. Obwohl angesprochen, erklärt die DGVM ausdrücklich, dass finanzielle Aspekte bei einer Diskussion um eine mögliche Änderung eines THC-Grenzwertes nicht ausschlaggebend sein dürfen. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass im Rahmen einer polizeilichen Verdachtsgewinnung zur Entscheidung zur Veranlassung einer Blutentnahme keine Möglichkeit bestehen wird, analog zum Alkohol einen ersten Anhaltspunkt dafür zu erhalten, ob ein THC-Grenzwert im Blutserum überschritten sein kann oder nicht. Eine Anhebung des Cutoff-Wertes für Cannabinoide bei einem immunchemischen Urinvortest auf 150 ng/ml ist bereits in einigen Bundesländern erfolgt. Dadurch kann ggf. die Anzahl von Fällen reduziert werden, bei denen bei einem bestehenden THC-Grenzwert von 1 ng/ml Blutserum kein Befund erhalten wird, der nicht zu einer Sanktionierung führt. Es ist aber vollkommen unrealistisch, anhand von Vortesten eine Unterscheidung zwischen 1 oder 3 oder 3,5 ng THC/ml Blutserum vorzunehmen. Die Anzahl an abzunehmenden Blutproben wird nicht verringert, aufgrund eines Rückganges der Sanktionierungszahlen (vgl. Punkt 1), kommt es zu einer Belastung der Staatskasse durch Übernahme von Kosten für Blutentnahmen und Analysen.
  2. Grundsätzlich muss in Diskussionen unterschieden werden zwischen einer „Trunkenheitsfahrt“ (gilt auch für Drogen!) als Straftatbestand mit höheren Anforderungen bzgl. der Feststellung an Beeinträchtigungen und einer „folgenlosen Trunkenheitsfahrt“ als Ordnungswidrigkeitstatbestand im Sinne einer allgemeinen Gefahrenabwehr. Die DGVM vermisst in vielen Diskussionen die Unterscheidung zwischen beiden Tatbeständen.
  3. Aus Sicht der DGVM sollten eine Legalisierung und eine Veränderung von Grenzwerten unabhängig voneinander betrachtet werden, beides hat nichts miteinander zu tun. Bei besserer Verfügbarkeit sollte aber die Kontrolldichte erhöht werde.

Durchführung von Abstinenzkontrollen angesichts erhöhter Infektionsgefahr durch Covid-19


Durchführung von Abstinenzkontrollen angesichts erhöhter Infektionsgefahr durch Covid-19 – 2. Stellungsnahme


Durchführung von Fahreignungsbegutachtungen während der Covid-19-Pandemie – 3. Stellungnahme


Anwendung der CTU-Kriterien bei wiederholter oder längerer Abwesenheit wegen COVID-19-Verdacht und Infektionsschutzmaßnahmen –
4. Stellungnahme


Stellungnahme: Sichtkontrolle und Markerverfahren bei Urinabgaben im Zusammenhang mit der Fahreignungsbegutachtung

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hatte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) beauftragt, ein Expertengespräch zum Einsatz von Markerverfahren im Bereich der Fahreignung durchzuführen, das am 16.07.2016 stattfand. Die aus der Veranstaltung resultierende Stellungnahme der BASt finden Sie hier

Eine Stellungnahme der wissenschaftlichen Fachgesellschaften finden sie hier

Eine Gegendarstellung der RUMA GmbH finden sie hier


Gemeinsame Stellungnahme zur forensisch-toxikologischen Haaranalytik der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM)
und der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie (GTFCh)

Aufgrund eines wissenschaftlichen Artikels (Moosmann, Roth, Auwärter (2015) Finding cannabinoids in hair does not prove cannabis consumption. Scientific Reports 5: 14906) kommt es vermehrt zu Nachfragen bezüglich der Bewertung forensisch-toxikologischer Befunde, die bei Analysen von Haarproben erhalten werden.

Die Analyse von Haaren auf Drogen hat sich für zahlreiche Fragestellungen bewährt (z.B. retrospektive Klärung von Konsummustern, Nachweis einer Substanzbeibringung, Überprüfung von Einlassungen zum Konsumverhalten auf Plausibilität). Der Nachweis von Drogen in einer Haarprobe belegt sicher eine Exposition des Probanden, in der Regel durch aktiven Konsum. Unter besonderen Umständen kann eine passive Antragung von Drogen z.B. aus Stäuben oder Aerosolen zu positiven Befunden in Haaren führen. Hierdurch ist eine Einlagerung der Wirksubstanzen in das Haar möglich Zur Abgrenzung eines aktiven Konsums wird versucht, Stoffwechselprodukte als Marker für eine Körperpassage nachzuweisen. Letztlich muss aber auch eine Einlagerung z.B. in Situationen, bei denen es zu einem engen Kontakt der Haare mit dem Schweiß oder Talg von Konsumenten kommt, als mögliche Quelle positiver Befunde in Erwägung gezogen werden. Der o.g. Artikel wies THC-COOH in Hautausscheidungsprodukten nach und gibt Anlass, auch für Metaboliten die Möglichkeit einer Exposition über Schweiß oder Talg in Betracht zu ziehen. Bei Haaranalysen im Zusammenhang mit Sorgerechtsfragen ist dies von großer Bedeutung. Die Analysenergebnisse müssen hier immer als ein Informationsbaustein im Gesamtkontext des Einzelfalles gesehen werden.

Bei dem weit verbreiteten Einsatz der Haaranalytik im Kontext der Fahreignungsdiagnostik wird in Aufklärungsgesprächen im Vorfeld der Analyse auf die Möglichkeit positiver Befunde durch eine Antragung von außen hingewiesen. Der Einsatz von Haaranalysen ist in diesem Bereich auch nach den o.g. Ergebnissen nicht in Frage zu stellen. Vielmehr ist die Aussagekraft bezüglich des Nachweises eines Konsums bzw. Umgangs mit Drogen oder Medikamenten nach wie vor bedeutsam, zumal das Nachweisfenster gegenüber Blut/Serum oder Urin i.d.R. deutlich länger ist. Haarentnahmen werden im Vergleich zu Urinabgaben unter Sichtkontrolle von vielen Probanden als weniger belastend empfunden und sind insgesamt mit einem geringeren Zeitaufwand verbunden. Bei positiven Haarbefunden ist ein Konsum naheliegend und die Abstinenz nicht zu belegen, insbesondere nicht bei dem Nachweis von Metaboliten. Wichtig ist, wie bei anderen forensisch-toxikologischen Fragestellungen, dass nicht nur die Analytik, sondern auch die Interpretation durch in der speziellen Problematik erfahrene Sachverständige erfolgt.

Prof. Dr. Frank Mußhoff

Prof. Dr. Stefan Tönnes
Vizepräsident der DGVM Präsident der GTFCh