Diabetes und Fahreignung
Diabetes mellitus gehört zu den in der Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung aufgeführten Erkrankungen, die die Fahreignung einschränken können. Entsprechend enthalten die „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung“ der BASt das Kapitel 3.3. „Diabetes mellitus“, zuletzt aktualisiert 2018. Die zweite Auflage der S3 Leitlinie mit dem Titel „Diabetes und Straßenverkehr“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird im Laufe des Jahres 2025 auf der Homepage der Deutschen Diabetes Gesellschaft verfügbar sein.
Insulinmangel ist für etwa 5% der Diabeteserkrankungen verantwortlich. Die häufigste Form ist der Diabetes mellitus Typ1. Die verminderte Insulinwirkung (Insulinresistenz) verursacht etwa 95% der Erkrankungen. Die häufigste Form ist der Diabetes mellitus Typ 2.
Die Erkrankungen können in verschiedener Intensität zu schweren Stoffwechselentgleisungen mit Hyper- und Hypoglykämie führen. Zudem können Folgeerkrankungen in Form von Durchblutungsstörungen der großen Gefäße (Gehirn, Herz, pAVK) sowie der Niere, der Retina und der peripheren Nerven auftreten. Diese sind im Kontext der Begutachtung gesondert zu betrachten.
Die Gefährdung der Verkehrssicherheit geht beim Diabetes mellitus in erster Linie vom Auftreten einer Hypoglykämie mit Kontrollverlust, Verhaltensstörungen oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen aus. U.a. (BAST 2022).
Es gibt keine einheitliche Definition der Hypoglykämie. Stoffwechselgesunde Personen haben bei Werten unter 70mg/dl Symptome, die die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen können. Bei Menschen mit Diabetes mellitus treten Symptome bei unterschiedlich hohen Glucosewerten auf. Zusätzlich kann die Messungenauigkeit der zur Selbstkontrolle verwendeten Geräte mehr als 10% betragen. 30% der MmDmT1 entwickeln im Laufe der Jahre eine unterschiedlich ausgeprägte Hypoglycämiewahrnehmungsstörung, MmDmT2 deutlich seltener.
Eine genauere Aufschlüsselung nach Art der Krankheit oder Art der Beeinträchtigung des Fahrzeugführers bei einem Unfall wird in Deutschland nicht durchgeführt, so dass zur Unfallhäufigkeit von Menschen mit Diabetes in Deutschland keine offiziellen Daten vorliegen. Autoren einer Metaanalyse aus dem Jahr 2016 kamen zu dem Ergebnis, dass das Unfallrisiko für Menschen mit Diabetes gering erhöht ist (RR=1,11 (1.01–1.23)) [Hostiuc 2016].
Hypoglykämierisiko ist nicht gleichbedeutend mit Unfallrisiko:
Verschiedene Kompensationsmechanismen können das Risiko einer Hypoglykämie deutlich senken:
- Schulung, Hypoglykämiewahrnehmungstraining
- Verbesserte Stoffwechselkontrolle durch CGM-Systeme
- Sensorunterstützte Insulinabgabe z.B. durch AID (Automated Insulin Delivery, Insulinpumpen)
Bei der Begutachtung sind neben Diabetestyp und -verlauf, Therapie und möglichen Komplikationen im Sinne eines ressourcenorientierten Ansatzes auch Kompensationsmöglichkeiten mit einzubeziehen. Berufstätige werden auch heute noch häufig diskriminiert und von einer Fahrtätigkeit ausgeschlossen. Auch mit einer Insulintherapie ist bei entsprechenden Behandlungsalgorithmen das Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 2 sicher möglich.
Stephan Maxeiner
DHG Bosenheim
Internist, Diabetologe, Verkehrsmedizin, ärztliches QM
Mitglied der DGVM
Mitglied im Ausschuss Diabetes und Soziales der DDG